Das christliche Glaubensbekenntnis und seine Entstehung

Bekenntnisse sind seit den Tagen der Alten Kirche ein wichtiges Instrument für die Einheit der Christen. Von den ältesten Bekenntnisformeln bis zum Apostolischen Glaubensbekenntnis (dem Nizäno-Konstantinopolitanum) war es ein weiter Weg. Dennoch gelang es, Dogmen von allgemeiner Gültigkeit festzulegen. Das Nicäno-Konstantinopolitanum stellt einen End- bzw. Wendepunkt in dieser Entwicklung dar. Es ist der letzte Bekenntnistext, der von allen Christen - orthodoxen, wie katholischen und evangelischen - gemeinsam gesprochen werden kann.
Der Entstehung und Entwicklung des christlichen Bekenntnisses gehen wir in diesem Aufsatz nach.


Das altrömische Glaubensbekenntnis (Romanum)

Das altrömische Glaubensbekenntnis R wird als eine der Urformen von christlichen Bekenntnissen, wenn nicht gar als die Urform schlechthin angesehen. Belegt ist dieser Text in der Schrift „commentarius in symbolum apostolorum“ von Tyrannius Rufinus von Aquileia (ca. 404) und im Codex Laudianus, der eine lateinische Fassung dieses Bekenntnisses bietet. Weitere Quelle für den griechischen Text stellen Marcellus von Ancyra (Mitte des 4. Jahrhunderts) und das Psalterium Aethelstani dar.

griechische Fassung:

Πιστεύω οὖν εἰς θεòν (πατέρα) παντοκράτορα·
καὶ εἰς Χριστὸν Ἰησοῦν, τὸν υἱὸν αὐτοῦ τὸν μονογενῆ, τὸν κύριον ἡμῶν,

τὸν γεννηθέντα ἐκ πνεύματος ἁγίου καὶ Μαρίας τῆς παρθένου,
τὸν ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου σταυρωθέντα καὶ ταφέντα
τῇ τρίτῃ ἡμέρα ἀναστάντα ἐκ τῶν νεκρῶν,
ἀναβάντα εἰς τοὺς οὐρανούς,
καὶ καθήμενον ἐν δεξιᾳ τοῦ πατρός,
ὅθεν ἔρχεται κρίνειν ζῶντας καὶ νεκρούς;

καὶ εἰς τò ἅγιον πνεῦμα,
ἁγίαν ἐκκλησίαν,
ἄφεσιν ἁμαρτιῶν,
σαρκὸς ἀνάστασιν,
(ζωην αἰωνιον).

lateinische Fassung:

credo in deum patrem omnipotentem,
et in Christum Iesum, filium eius unicum, dominum nostrum

qui natus est de spiritu sancto et Maria virgine
qui sub Pontio Pilato crucifixus est et sepultus,
tertia die resurrexit a mortuis,
ascendit in coelos,
sedet ad dexteram patris,
unde venturus est iudicare vivos et mortuos,

et in spiritum sanctum,
sanctam ecclesiam,
remissionem peccatorum,
carnis resurrectionem.


Deutsche Übersetzung:

Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen;
und an Jesus Christus, seinen einziggeborenen Sohn, unseren Herrn,

der geboren ist aus dem Heiligen Geist und der Jungfrau Maria,
der unter Pontius Pilatus gekreuzigt und begraben wurde,
am dritten Tag auferstand von den Toten,
auffuhr in den Himmel,
sitzt zur Rechten des Vaters,
von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten;

und an den Heiligen Geist,
die heilige Gemeinde,
die Vergebung der Sünden,
Auferstehung des Fleisches.

Der griechische Text nach Marcellus von Ancyra weicht ein wenig vom lateinischen Text ab: In Artikel 1 fehlt „Vater“, wohingegen der 3. Artikel um den Zusatz „ewiges Leben“ ergänzt ist.

Grundsätzlich sind zwei Bekenntnisse zu unterscheiden, die heute beide als „römische“ bezeichnet werden. Es handelt sich hierbei einerseits um das ältere und kürzere oben stehende Romanum (R), andererseits aber auch um das jüngere und längere „Apostolicum“ (apostolisches Glaubensbekenntnis), welches heute noch in gottesdienstlichem Gebrauch steht.

Die Forschung hält es aufgrund der Wortwahl für sehr wahrscheinlich, dass R zum erstenmal in der Mitte des 2. Jahrhunderts formuliert wurde. Dabei gilt die griechische Fassung als ursprünglich, die lateinische Fassung also als Übersetzung. Daraus lässt sich schließen, dass R in einer Zeit entstanden sein muss, in der in der römischen Kirche noch Griechisch offizielle Amtssprache war, was auf das 2. Jahrhundert zutrifft. Außerdem spricht für diese Datierung, dass sowohl Tertullian, als auch Hippolyt zu Beginn des 3. Jahrhunderts ganz ähnliche Formulierungen benutzen wie R.

Adolf von Harnack erkennt vier Grundtypen des altrömischen Bekenntnisses, nämlich einen italienischen, einen afrikanischen, einen spanischen und einen gallischen Typus, die sich im Laufe der Zeit aus dem ursprünglichen Text von R entwickelt haben.

Charakteristisch für den gallischen Typus sind „historische“ Hinzufügungen wie „Schöpfer des Himmels und der Erde“, „gelitten“ oder „niedergefahren zur Hölle“ und das Fehlen von präzisierenden Zusätzen, die eher dogmatischer Natur sind, wie „Vergebung aller Sünden“ oder die Bezeichnung „Gott“ im 2. Artikel. Aus diesem gallischen Typus hat sich auch das Apostolicum entwickelt.

Indem man die Unterschiede der abendländischen Bekenntnisse beiseite lässt und dadurch einen Urtyp rekonstruiert, erhält man ebenfalls den Text von R. Dies zeigt, dass R die Grundlage aller abendländischen Glaubensbekenntnisse ist. Dadurch, dass z.B. die afrikanische Kirche bereits um 250 eine Sonderform von R herausgebildet hatte, muss eben R deutlich älter sein.

Auch die ostkirchlichen Bekenntnisse haben in R einen Grundstein. Jedoch ist es auf Grund der dortigen Traditionen und dem Nicht-Anerkennen der apostolischen Tradition zu einer wesentlich stärkeren Anpassung und Neuformulierung gekommen.

Karl Holl schrieb 1919 (Karl Holl, Zur Auslegung des 2. Artikels des sog. apostolischen Glaubensbekenntnisses, in: Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1919, S. 2-11), dass sich aus der sprachlichen Form des christologischen Artikels das Folgende herleiten lasse:

τὸν υἱὸν αὐτοῦ τὸν μονογενῆ und τὸν κύριον ἡμῶν sind zwei Hoheitstitel, die dann im Folgenden erläutert werden. Der Satz τὸν γεννηθέντα ἐκ πνεύματος ἁγίου καὶ Μαρίας τῆς παρθένου bildet somit die Erklärung für die Gottessohnschaft, die Holl einzig und allein auf Lk 1, 35 - also auf die physische Geburt Jesu zurückführt. Die Abhängigkeit von Lukas lässt sich auch durch die sowohl im biblischen Text als auch im Bekenntnistext äquivalente textlichen Reihenfolge der „beiden bei der Geburt zusammenwirkenden Größen“ erklären.

Dogmengeschichtlich steht dies zeitlich nach der Adoptionschristologie durch die Taufe Christi durch Johannes den Täufer und vor der Logos- oder Präexistenzchristologie, die Holl in R ausschließt. Die Erhöhung nach dem Kreuzesleiden, welches zu Verleihung des Kyrios-Titels geführt habe, sei demnach als „wirkliche Steigerung der Würde gedacht, nicht als Wiedergewinn einer Stellung, die Christus von Anfang an besaß". Holl erläutert weiter, dass der zweite Teil der christologischen Entfaltung τὸν ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου σταυρωθέντα καὶ ταφέντα τῇ τρίτῃ ἡμέρα ἀναστάντα ἐκ τῶν νεκρῶν, ἀναβάντα εἰς τοὺς οὐρανούς, καὶ καθήμενον ἐν δεξιᾳ τοῦ πατρός, ὅθεν ἔρχεται κρίνειν ζῶντας καὶ νεκρούς folglich als Erläuterung des Kyrios-Titels verstanden werden muss. Als Vergleich bemüht er den Christus-Hymnus aus Phil 2, 6-11.

Gegen diese Interpretation spricht allerdings, dass sich in einigen römischen Bekenntnissen der Teil „unseren Herrn“ gar nicht findet, die christologische Entfaltung aber dennoch. Die Entfaltung kann also kaum einen nicht vorhandenen Titel erklären- Außerdem haben die Kirchenväter in dem „Namen, der über alle Namen steht“ aus Phil 2, 9 einen Verweis auf „Jesus“ oder „Sohn“ gesehen, nicht aber auf „Herr“.

Dennoch hat Holl plausibel aufgezeigt, dass das altrömische Glaubensbekenntnis R aus zwei zusammengefügten Teilen besteht, nämlich einem trinitarischen Bekenntnis und einem im 2. Artikel eingefügten christologischen Kerygma.

Auch Adolf von Harnack hat sich im selben Jahr wie Holl mit dem Romanum auseinandergesetzt. Er erkannte, dass dem von Holl postulierten trinitarischen Bekenntnis

credo in deum patrem omnipotentem
et in Christum Iesum, filium eius unicum, dominum nostrum
et in spiritum sanctum, sanctam ecclesiam, remissionem peccatorum, carnis resurrectionem

ein völlig symmetrisches, neungliedriges Schema zu Grunde liegt. Dass im 3. Artikel jedoch vier Glieder auftauchen, erklärt er damit, dass remissionem peccatorum und carnis resurrectionem als ein zusammengehöriges Glied anzusehen sind. Ein weiteres Erklärungsmodell für das 4. Glied bietet Hans Lietzmann. Er schlägt vor, remissionem peccatorum als sekundäre Erweiterung zu betrachten. Lietzmann belegt seine These mit einer Fülle an ägyptischen Papyrus-Texten, die alte kirchliche Liturgien enthalten. Der wichtigste Beleg für seine Behauptung ist der "Dêr-Balyzeh"-Papyrus zu sein, den Lietzmann - obwohl der Papyrus aus dem liturgischen Gebrauch einer ägyptischen Gemeinde stammt - auf die römische Kirche anwendet.

Bleibt also festzuhalten, dass das altrömische Glaubensbekenntnis (R) um die Mitte des 2. Jahrhunderts aus Taufformeln und anderen (biblischen) Bekenntnisformeln entstanden ist. Ebenso scheint gesichert, dass es sich dabei ursprünglich um ein trinitarisches Bekenntnis mit eingeschobener Christologie gehandelt hat. Ob dieses trinitarische Bekenntnis ursprünglich ein symmetrisch neungliedriges war, darf angezweifelt werden.

In Rom selbst wurde es nicht oder nur kaum verändert, wurde jedoch ab dem 6. Jahrhundert aus Rom verdrängt und zwar zuerst durch das Nicäno-Constantinopolitanum. Später wurde dann das Apostolicum aus dem gallischen Raum , das dem altrömischen Bekenntnis sehr ähnlich ist, zum Bekenntnis der römischen Kirche.


Das Nizänische Glaubensbekenntnis

Die Vorgeschichte des Konzils von Nicäa

Kuppelmosaik Ravenna Baptisterium der OrthodoxenDie Einberufung des Konzils von Nicäa (325 n. Chr.) ist die Reaktion auf den arianischen Streit. Wann dieser seinen Anfang nahm, kann heute nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden. Auch der eigentliche Inhalt des Streits ist heute unklar. Lediglich die Tatsache, dass der Streit ursprünglich eine interne Auseinandersetzung innerhalb der alexandrinischen Gemeinde gewesen ist, gilt als gesichert. Die Grundanschauung des Arius lässt sich jedoch aus zeitgenössischen Schriften rekonstruieren.

Arius, Presbyter der Gemeinde von Alexandrien, war der Ansicht, dass nur Gott allein wahrer Gott sein könne, weil er allein nicht geschaffen worden sei. Er konstatiert von diesem Standpunkt ausgehend die Lehre von den drei göttlichen „Hypostasen“ (Substanzen). Arius behauptete beispielsweise, der Sohn Gottes müsse aus dem Willen Gottes gezeugt worden sein und sei deshalb keinesfalls wesensgleich mit dem Vater. Außerdem habe es eine Zeit gegeben, in der der Sohn nicht existiert habe.

Mit dieser Lehre beschwor Arius den Widerstand Alexanders, des Bischofs von Alexandrien, herauf, der zur Klärung der Frage im Jahr 325 ein Konzil nach Alexandrien einberief. Arius wurde verbannt und seine Lehre verurteilt. Allerdings hatte er zu diesem Zeitpunkt schon einflussreiche Anhänger, wie z.B. Eusebius von Cäsarea, die seine Lehre weiter verbreiteten und Arius Unterschlupf gewährten. Wegen seiner Nähe zu Arius war auch Eusebius von dem Konzil von Alexandrien vorläufig exkommuniziert worden.

Die Christenheit drohte an diesem Streit auseinanderzubrechen, was Kaiser Konstantin auf den Plan rief. Er war um die Einheit der Kirche besorgt, die für ihn eine herrschaftssichernde Funktion innehatte. Daher schrieb Konstantin Briefe sowohl an Arius als auch an Alexander von Alexandrien, worin er beide zur Vernunft mahnte und ihre Haltung tadelte. Außerdem berief Konstantin das Konzil von Nizäa ein, das den arianischen Streit beenden sollte.


Das Konzil von Nizäa (325)

Den formellen Vorsitz des Konzils führte vermutlich Kaiser Konstantin selbst. Dies zeigt, wie sehr ihm an einer schnellen Lösung des Konflikts gelegen war.

Gleich zu Beginn der Synode nutzte Eusebius die Gelegenheit, um sich zu rehabilitierten, indem er ein Bekenntnis ablegte, das als orthodox gelten konnte. Dieses Bekenntnis Eusebs geht offenbar auf ein altes gemeindliches Taufbekenntnis zurück. Es wurde von der Synode gebilligt und vom Kaiser angenommen, der es vermutlich von einer Kommission zusammen mit anderen Bekenntnisvorschlägen zu einem einheitlichen Bekenntnistext zusammenfassen ließ. Daraus ließe sich auch die z.T. ungeschickte Textgestaltung des letztendlichen Synodenbeschlusses, des Nicaenums, erklären:


griechische Fassung:

Πιστεύομεν εἰς ἕνα Θεόν Πατέρα παντοκράτορα, πάντων ὁρατῶν τε καὶ ἀοράτων ποιητήν.

Καὶ εἰς ἕνα κύριον Ἰησοῦν Χριστόν, τὸν υἱὸν τοῦ Θεοῦ, γεννηθέντα ἐκ τοῦ Πατρὸς μονογενῆ, τουτέστιν ἐκ τῆς οὐσίας τοῦ Πατρός, Θεὸν ἐκ Θεοῦ, φῶς ἐκ φωτός, Θεὸν ἀληθινὸν ἐκ Θεοῦ ἀληθινοῦ, γεννηθέντα, οὐ ποιηθέντα, ὁμοούσιον τῷ Πατρί,
δι' οὗ τὰ πάντα ἐγένετο, τά τε ἐν τῷ οὐρανῷ καὶ τὰ ἐπὶ τῆς γῆς,
τὸν δι' ἡμᾶς τοὺς ἀνθρώπους καὶ διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν κατελθόντα καὶ σαρκωθέντα καὶ ἐνανθρωπήσαντα,
παθόντα, καὶ ἀναστάντα τριτῇ ἡμέρᾳ, καὶ ἀνελθόντα εἰς τοὺς οὒρανούς,
καὶ ἐρχόμενον κρῖναι ζῶντας καὶ νεκρούς.

Καὶ εἰς τὸ Ἅγιον Πνεῦμα.

Τοὺς δὲ λέγοντας, ὅτι ἦν ποτε ὅτε οὐκ ἦν,
καὶ πρὶν γεννηθῆναι οὐκ ἦν,
καὶ ὅτι ἐξ οὐκ ὄντων ἐγένετο,
ἢ ἐξ ἑτέρας ὑποστάσεως ἢ οὐσίας φάσκοντας εἶναι, [ἢ κτιστόν,]
ἢ τρεπτὸν ἢ ἀλλοιωτὸν τὸν υἱὸν τοῦ Θεοῦ,
[τούτους] ἀναθεματίζει ἡ καθολικὴ [καὶ ἀποστολικὴ] ἐκκλησία.


deutsche Übersetzung:

Wir glauben an einen Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer alles Sichtbaren und Unsichtbaren.

Und an den einen Herrn Jesus Christus,
den Sohn Gottes,
der als Einziggeborener aus dem Vater gezeugt ist, das heißt: aus dem Wesen des Vaters,
Gott aus Gott, Licht aus Licht,
wahrer Gott aus wahrem Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch den alles geworden ist, was im Himmel und was auf Erden ist;
der für uns Menschen und wegen unseres Heils herabgestiegen und Fleisch geworden ist,
Mensch geworden ist,
gelitten hat und am dritten Tage auferstanden ist,
aufgestiegen ist zum Himmel,
kommen wird um die Lebenden und die Toten zu richten;

Und an den Heiligen Geist.

Diejenigen aber, die da sagen „es gab eine Zeit, da er nicht war“ und „er war nicht, bevor er gezeugt wurde“, und er sei aus dem Nichtseienden geworden, oder die sagen, der Sohn Gottes stamme aus einer anderen Hypostase oder Wesenheit, oder er sei geschaffen oder wandelbar oder veränderbar, die verdammt die katholische Kirche.


Das Konzil von Konstantinopel

Vorgeschichte

Im Jahre 378 endete Roms Gotenfeldzug mit dem Tod des Kaisers Valens (364-378) . An dessen Stelle rückte am 19. Januar 379 der Spanier Flavius Theodosius nach. Ihm gelang es das gewaltsame Vordringen der Goten in ein „friedliches“ umzuwandeln, indem er ihnen durch einen Vertrag zugestand, sich an den nördlichen Grenzen des Römischen Imperiums anzusiedeln.

Auch kirchenpolitisch war die Lage brisant. Während sich im Westteil des Reichs die nizänische Lehre weitestgehend durchgesetzt hatte, tauchten im Osten des Römischen Reiches immer wieder neue, von den Grundsätzen des Konzils von Nicäa stark abweichende Lehren auf, die die von Konstantin hergestellte Einheit der Kirche gefährdeten und offen gegen die Beschlüsse von Nizäa opponierten. Gegen Bischöfe, die diesen Lehren zugetan waren, war Valens mit Härte vorgegangen: er setzte sie ab oder schickte sie gar ins Exil. Unmittelbar nach dem Tod des Valens erließ jedoch Gratian, der Kaiser Westroms ein „Toleranzedikt“, das zur Folge hatte, dass die Vertreter der verschiedenen theologischen Lehrmeinungen sich bemühten, die Bischofsstühle mit ihren eigenen Leuten zu besetzen und auf diese Weise rasch wieder großen Einfluss erlangten. Die Kirche des Ostens entfernte sich zunehmend von der weströmischen Kirche.

Dies änderte sich mit der Einsetzung Theodosius' grundlegend. In seinem Rundschreiben „cunctos populos“ (28. Februar 380) legt er sein religionspolitisches Grundsatzprogramm vor: Grundlage für die Neuordnung der Kirche könne nur der Beschluss von Nizäa sein. Ziel dieser Neuordnung sei die Wiederherstellung der Glaubenseinheit mit dem Westen.

Der einflussreichste Mann der Ostkirche war Meletius, Bischof von Antiochia. Er selbst stand den Beschlüssen von Nizäa nahe und hatte bereits im Jahr 379 eine Synode von 150 Bischöfen einberufen, die seine Lehrmeinung teilten. Diese Synode bekannte sich klar zu den Beschlüssen von Nizäa. Theodosius, der die gesamte Kirche auf ein gemeinsames Bekenntnis verpflichten wollte, betraute nun Meletius mit der Vorbereitung eines Reichskonzils. Meletius lud aber wieder lediglich Bischöfe ein, die seine Lehrmeinung teilten. Durch das Einwirken des Kaisers konnte zumindest die Einladung einiger weniger westlicher Bischöfe erreicht werden, die allerdings erst verspätet in Konstantinopel eintrafen. Diese Art der Einladung hatte zur Folge, dass die Synode von Konstantinopel lange Zeit von der Westkirche nicht als Ökumenisches Konzil betrachtet wurde.


Der Verlauf und das Ergebnis des Konzils von Konstantinopel (381 n. Chr.)

Alle angereisten Bischöfe wurden zunächst von Theodosius im Bischofspalast empfangen, das eigentliche Konzil tagte in einer Basilika außerhalb des Palastes ohne Beisein des Kaisers. Kurz nach Eröffnung des Konzils verstarb Meletius allerdings überraschend. Infolgedessen übernahm Gregor von Nazianz die Leitung der Synode. Neben einigen anderen Fragen, die die Neubesetzung von Bischofsstühlen betrafen, stritt man nun über ein trinitarisches Bekenntnis, das für die gesamte Kirche von letzter Gültigkeit sein sollte.

Man einigte sich auf einen Text, der das Verhältnis von Vater, Sohn und Heiligem Geist als ein Wesen Gottes in drei Seinsweisen beschrieb.

Papyrus mit Text des Nizäno-Konstantinopolitanums (P.Berlin 11631, 7./8. Jahrhundert n. Chr.)

Papyrus mit Text des Nizäno-Konstantinopolitanums (P.Berlin 11631, 7./8. Jahrhundert n. Chr.)


Das Nizäno-Konstantinopolitanum

griechische Fassung (Die Unterschiede zum Nicänum sind hervorgehoben)

Πιστεύομεν εἰς ἕνα Θεόν,
Πατέρα, Παντοκράτορα,
ποιητὴν οὐρανοῦ καὶ γῆς,
ὁρατῶν τε πάντων καὶ ἀοράτων.

Καὶ εἰς ἕνα Κύριον Ἰησοῦν Χριστόν,
τὸν Υἱὸν τοῦ Θεοῦ τὸν μονογενῆ,
τὸν ἐκ τοῦ Πατρὸς γεννηθέντα πρὸ πάντων τῶν αἰώνων·

φῶς ἐκ φωτός,
Θεὸν ἀληθινὸν ἐκ Θεοῦ ἀληθινοῦ,
γεννηθέντα οὐ ποιηθέντα, ὁμοούσιον τῷ Πατρί,
δι' οὗ τὰ πάντα ἐγένετο.
Τoν δι' ἡμᾶς τοὺς ἀνθρώπους καὶ διὰ τὴν ἡμετέραν σωτηρίαν
κατελθόντα ἐκ τῶν οὐρανῶν
καὶ σαρκωθέντα
ἐκ Πνεύματος Ἁγίου καὶ Μαρίας τῆς Παρθένου
καὶ ἐνανθρωπήσαντα.
Σταυρωθέντα τε ὑπὲρ ἡμῶν ἐπὶ Ποντίου Πιλάτου,
καὶ παθόντα καὶ ταφέντα.
Καὶ ἀναστάντα τῇ τρίτῃ ἡμέρα κατὰ τὰς Γραφάς.
Καὶ ἀνελθόντα εἰς τοὺς οὐρανοὺς
καὶ καθεζόμενον ἐκ δεξιῶν τοῦ Πατρός.
Καὶ πάλιν ἐρχόμενον μετὰ δόξης κρῖναι ζῶντας καὶ νεκρούς,
οὗ τῆς βασιλείας οὐκ ἔσται τέλος.

Καὶ εἰς τὸ Πνεῦμα τὸ Ἅγιον,
τὸ κύριον, τὸ ζωοποιόν,
τὸ ἐκ τοῦ Πατρὸς ἐκπορευόμενον,
τὸ σὺν Πατρὶ καὶ Υἱῷ συμπροσκυνούμενον καὶ συνδοξαζόμενον,
τὸ λαλῆσαν διὰ τῶν προφητῶν.
Εἰς μίαν, Ἁγίαν, Καθολικὴν καὶ Ἀποστολικὴν Ἐκκλησίαν.
Ὁμολογῶ ἓν βάπτισμα εἰς ἄφεσιν ἁμαρτιῶν.
Προσδοκῶ ἀνάστασιν νεκρῶν.
Καὶ ζωὴν τοῦ μέλλοντος αἰῶνος.
Ἀμήν.



deutsche Übersetzung

Wir glauben an den einen Gott,
den Vater, den Allmächtigen,
der alles geschaffen hat, Himmel und Erde,
die sichtbare und die unsichtbare Welt.

Und an den einen Herrn Jesus Christus,
Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater [und dem Sohn] geboren vor aller Zeit:

[das berühmte „filioque“ (= und dem Sohn) findet sich erst in der lateinischen Fassung des Texts und zeigt, wie sehr hier um die Frage der Trinität gerungen wurde: Ist Jesus Christus Gott oder Mensch - oder beides?]

Gott von Gott,
Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
Für uns Menschen
und zu unserem Heil
ist er vom Himmel gekommen,
hat Fleisch angenommen
durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria
und ist Mensch geworden.
Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus,
hat gelitten und ist begraben worden,
ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift
und aufgefahren in den Himmel.
Er sitzt zur Rechten des Vaters
und wird wiederkommen in Herrlichkeit,
zu richten die Lebenden und die Toten;
seiner Herrschaft wird kein Ende sein.

Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater (und dem Sohn) hervorgeht,
der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten,

und die eine, heilige, allgemeine und apostolische Kirche.

Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden.
Wir erwarten die Auferstehung der Toten
und das Leben der kommenden Welt.

Amen. 


Bis heute hat das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel (allerdings ohne den filioque-Zusatz) eine allumfassende Gültigkeit. Es ist das im weitesten Sinne ökumenische Bekenntnis, da es alle christlichen Konfessionen verbindet und von Orthodoxen wie von Katholiken und Protestanten als gültig anerkannt wird.

Das Chalcedonense

Das Konzil von Chalcedon befasste sich im Jahr 451 n. Chr. mit dem Wesen Christi und der Frage danach, inwiefern Jesus Christus menschlich, bzw. göttlich sei. Am Ende des Konzils wird ein Bekenntnistext verabschiedet, der in seinen Formulierungen darum ringt, Christus zwei Naturen (duo physeis) zuzusprechen: eine menschliche und eine göttliche, die gleichberechtigt nebeneinander existieren.


deutsche Übersetzung:

Wir folgen also den heiligen Vätern und bekennen einen und denselben Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, und lehren alle einmütig, dass derselbe sei vollkommen in der Gottheit und derselbe vollkommen in der Menschheit, derselbe als wahrhaftiger Gott und als wahrhaftiger Mensch, mit einer vernünftigen Seele und einem Leib, dem Vater wesensgleich nach der Gottheit und derselbe uns wesensgleich nach der Menschheit, in jeder Hinsicht uns ähnlich, ohne die Sünde; dass er von Ewigkeit her aus dem Vater der Gottheit nach geboren wurde, aber derselbe in den letzten Tagen um unseretwillen und unseres Heiles willen aus der Jungfrau Maria, der Gottesgebärerin, der Menschheit nach.

Wir bekennen einen und denselben Christus, den Sohn, den Herrn, den Einziggeborenen, in zwei Naturen unvermischt, ungewandelt, ungetrennt und ungeschieden offenbart; keineswegs ist der Unterschied der Naturen durch die Vereinigung aufgehoben, vielmehr wird die Eigenart jeder Natur bewahrt, und beide treten zu einer Person und einer Hypostase zusammen; nicht einen in zwei Personen geteilten oder getrennten, sondern einen und denselben einziggeborenen Sohn, Gott, Wort, Herrn, Jesus Christus, so wie vorzeiten die Propheten von ihm und Christus selbst uns unterwiesen haben und wie es uns das Glaubensbekenntnis der Väter überliefert hat.


Die regula fidei bei Tertullian - Das Bekenntnis der frühesten Christen


(Ich gebe hier im Wesentlichen die Ausführungen von Countryman, L. WM, Tertullian and the Regula Fidei, in: The Second Century, Journal of Early Christian Studies, Vol. 2 (1981), pp. 208-227 wieder.)

Die Wendung regula fidei taucht – laut Countryman – an drei Stellen bei Tertullian auf: De praescriptione haereticorum 13, in wesentlich kürzerer Form De virginibus velandis 1 und in dem zu Tertullians montanistischer Zeit gehörenden Werk Adversus Praxean 2. Es gebe allerdings nur wenige wörtliche Übereinstimmungen. Dennoch liege eine ähnliche Grundstruktur in allen drei Versionen vor, nämlich der Glaube an den Schöpfer und an den Sohn oder das Wort Jesus Christus. Es lasse sich also eine zweigliedrige Struktur nachweisen, wobei der Heilige Geist eine dem Vater und dem Sohn untergeordnete Rolle spiele, was auch grammatikalisch seinen Niederschlag gefunden habe. Aus dieser Übereinstimmung in allen drei Versionen lasse sich ersehen, dass ein festgelegtes Muster mit normativem Charakter zu Grunde liege, das als traditionell und gültig angesehen worden sei, zumal Tertullian in allen drei Fällen mit der Autorität der regula fidei argumentiere.
In De praescriptione haereticorum 13 bedeute regula fidei einen unumstößlichen Glaubensinhalt mit normativem Charakter, den Christen als festen Bestandteil ihres christlichen Lebens kennen. Aus dem Alter dieser Norm ergebe sich deren Wahrheitsgehalt. De virginibus velandis 1 zeige, dass es nach Tertullian gewisse unverrückbare Glaubenswahrheiten gebe und dass diese in knapper, wiedererkennbarer Form zusammengefasst seien. Er gehe also davon aus, dass die regula fidei bei den Rezipienten bekannt und anerkannt sei. Obwohl sein Werk Adversus Praxean aus Tertullians montanistischer Zeit stamme, greife es auf eine ähnliche Argumentation wie De praescriptione haereticorum zurück, nämlich dass die Autorität und der Wahrheitsgehalt der regula fidei in deren Alter begründet liege. In allen drei Versionen weise Tertullian also darauf hin, dass die regula fidei bereits seit langem existiere und weit verbreitet sei, wobei jedoch gewisse Variationsmöglichkeiten in Länge und Wortwahl bei immer gleichem zweigliedrigen Grundmuster möglich gewesen seien.
Es lassen sich Zusammenhänge und bisweilen sogar Übereinstimmungen zwischen der tertullianeischen regula fidei und κανων της πιστεως des Irenäus feststellen, wobei dieser einerseits eine zweigliedrige Struktur (Adversus haereses) und an anderer Stelle eine dreigliedrige (Epideixdis) verwende. Ebenfalls in Zusammenhang mit Tertullian könne das Romanum stehen. Countryman gibt zu bedenken, dass all diese Formulierungen auf eine gemeinsame Tradition zurückgehen könnten.
Obwohl die frühen fest formulierten Glaubensbekenntnisse (des 4. Jhs.) mündlich den Katechumenen weitergegeben worden seien, sei eine solche Überlieferung für die tertullianeische regula fidei oder den κανων της πιστεως des Irenäus als feststehende Formel nicht denkbar. Zunächst ergebe sich die Frage, ob es sich bei der Vorlage um eine zwei- oder dreigliedrige Formel gehandelt haben soll, da bei Irenäus sowohl das eine als auch das andere vorkommt. Außerdem sei es unwahrscheinlich, dass Tertullian, wenn es doch eine solche Formulierung gegeben hätte, drei unterschiedliche Varianten derselben gibt anstatt die Formel exakt zu zitieren.
Eine andere Möglichkeit, die Gemeinsamkeiten zwischen den Bekenntnisaussagen zu erklären, bestehe darin, die regula fidei mit dem Inhalt katholischer Glaubensüberzeugung, bzw. der Wahrheit selbst gleichzusetzen. Aber auf diese Weise bleibe die Tatsache unberücksichtigt, dass sowohl Irenäus als auch Tertullian den Terminus regula (bzw. κανων) in zweifachem Sinne benutzen, nämlich als Bezeichnung christlichen Glaubensinhalts und als feste Formulierung. Nehme man dennoch an, es handele sich lediglich um den Ausdruck christlichen Glaubensinhalts, so ließe sich die Existenz der Texte bei Tertullian und Irenäus nicht erklären, die aufgrund ihrer Ähnlichkeit mehr als bloße Stegreifformulierungen seien. Außerdem sei es in der alten Christenheit möglich gewesen, den Kern des Evangeliums auf mehrere Weisen auszudrücken. Tertullians Rückgriff auf eine zweigliedrige Formulierung sei also nicht zwingend gewesen, zumal er seinen eigenen Glauben besser in einer dreigliedrigen Formel hätte zum Ausdruck bringen können, wie sie bei Irenäus (Epideixis) vorliegt. Aus dieser Tatsache lasse sich der Schluss ziehen, dass die nordafrikanische Glaubenstradition es Tertullian unmöglich gemacht habe, die dort tradierte zweigliedrige Gestalt der regula fidei in eine dreigliedrige zu verändern. Die regula fidei der Kirche Tertullians sei also keineswegs die einzig mögliche Zusammenfassung des Evangeliums, sondern eine genaue Darlegung des Glaubens in der Kirche Tertullians. Bei der regula fidei handele es sich also weder um eine textlich fixierte Formel noch um den einzigen Weg, christlichen Glaubensinhalt auszudrücken.
Countryman schlägt vor, von einer „mündlich-sozialen“ Überlieferung auszugehen. Die drei tertullianeischen Versionen der regula fidei zeigen inhaltliche Parallelen, wobei die einzelnen Formulierungen voneinander abweichen können. Dies widerlege einerseits eine formelhafte Fixierung, andererseits aber lasse es einen mündlichen Überlieferungshintergrund vermuten, der ähnlich der Tradierung mündlicher Dichtung vonstatten gegangen sei; wörtliche Übereinstimmung sei nicht nötig um vom Rezipienten als ein und dasselbe erkannt zu werden. Das bedeute, Tertullians Adressaten sei genau bewusst gewesen, welche Ausgestaltung der regula fidei zulässig sei und welche nicht. Dieses Bewusstsein habe der soziale Hintergrund herausgebildet, auf dem die regula fidei ihre Anwendung fand. Daher sei es notwendig, den Sitz im Leben der regula fidei zu untersuchen. Da Tertullian die regula fidei als allen Christen bekannt voraussetze, sei es notwendig, den Sitz im Leben bei einer Begebenheit zu verorten, die alle Christen betreffe; dies sei entweder die Eucharistie oder die Taufe. Countryman behandelt zunächst die Eucharistie. Hierbei dürfe man nicht davon ausgehen, dass die regula fidei wie ein Glaubensbekenntnis von der Gemeinde gesprochen worden sei, da ein solches gesprochenes Bekenntnis im Gottesdienst erst seit dem 5. Jh. belegt sei. Auch beim Gebet, das über Brot und Wein gesprochen wurde, sei die regula fidei nicht zu verorten, da ihr das Grundmerkmal eines eucharistischen Gebets fehle: nämlich der Bezug auf Brot und Wein. Obwohl es manchmal zu inhaltlichen Ähnlichkeiten von Predigt und regula fidei komme, liegen diese darin begründet, dass es um Grundbestandteile des christlichen Glaubens gehe. Allerdings fehle den erhaltenen Predigten aus Tertullians Zeit die formale Eigenart der regula fidei. Daher komme auch die Predigt für den Sitz im Leben der regula fidei nicht in Betracht.
Auch für die Taufe komme ein Sitz im Leben der regula fidei nicht in Betracht. Zunächst, weil die regula fidei als abhängig von mündlicher Tradierung eher eine Situation vermuten lasse, die die Gemeinde wiederholt miterlebt haben müsse. Die Taufe sei allerdings ein einmaliger Akt und der Taufvorgang für die Gemeinde nicht sichtbar gewesen. Dann, weil das Taufformular nach Mt 28,19 ein dreigliedriges und eben nicht, wie die regula fidei, ein zweigliedriges sei.
Es bleibe für den Sitz im Leben also die Katechese, die der Taufe voranging. Diese sei elementare Erfahrung eines jeden Christen gewesen. Dort habe der Christ Gelegenheit gehabt, die regula fidei wiederholt zu vernehmen. Außerdem könne auf diese Weise auch die häufig angedeutete Verknüpfung der regula fidei mit der Taufe erklärt werden, da die Katechese der Taufvorbereitung diente.
Für das vierte Jahrhundert gebe es zahlreiche Informationen über den Ablauf des Katechumenats. Ein wesentlicher Bestandteil sei damals die Übergabe der feststehenden Bekenntnisformel (traditio) sowie das Aufsagen derselben (redditio) gewesen. Dies setze allerdings eine wörtliche Fixierung der Bekenntnisformel voraus und komme somit für das 2. und 3. Jh. nicht in Betracht. Die Katechumenen seien vielmehr als Hörer der vom Katecheten vorgetragenen regula fidei anzusehen, wobei diese Allgemeingut der jeweiligen christlichen Gemeinde gewesen sei. Man könne also von der regula fidei als von einer Richtlinie des christlichen Unterrichts sprechen, die von der Kirche vorgegeben war. Diese Vorgabe könne zur Einung der lokalen Kirche als Erwiderung auf verschiedene Häresien entstanden sein. Dass die regula fidei besonders zur Abgrenzung von den Gnostikern benutzt wurde, zeige sich in der Betonung der Verbindung Jesu zum Weltschöpfer. Gerade die Tatsache, dass die regula fidei ihren Sitz im christlichen Unterricht gehabt habe, biete eine gute Möglichkeit, den neuen Christen rechtgläubig zu erziehen. Eine weitere Funktion der regula fidei liege in der zunehmenden Bedeutung der episkopalen Struktur der Kirche begründet. Sie habe dazu gedient, die Katecheten an die episkopale (und damit letztendlich apostolische) Überlieferung zu binden. Im überlokalen Gespräch sei es durch die regula fidei außerdem möglich gewesen, durch den Vergleich mit anderen regulae fidei die eigene Rechtgläubigkeit zu prüfen.

Ergänzende Auslegungen der oben behandelten Stellen nach Ohme

(Ohme, Heinz, Kanon ekklesiastikos. Die Bedeutung des altkirchlichen Kanonbegriffs, Berlin [u.a.] 1998, p. 83-121.)

De virginibus velandis

Die regula fidei wird hier in einem stark normativen Sinn gebraucht. Sie wird aufgrund ihrer Verwurzelung in der veritas als immobilis et irreformabilis angesehen. Inhaltlich bietet die regula fidei das Bekenntnis zum Schöpfergott und zu Jesus Christus. Allerdings geht es Tertullian in diesem Abschnitt eigentlich um die Definition von disciplina. Er will erreichen, dass sie nicht so sehr durch consuetudo, sondern durch veritas begründet wird – ebenso, wie die regula fidei in der veritas verankert ist. Dabei kommt es zu einer scharfen Abgrenzung: während die disciplina veränderbar ist (wenn nämlich der Heilige Geist etwas anderes befiehlt), bleibt die regula fidei doch immer unveränderbar.


Adv. Praxean 2

Tertullian weist darauf hin, dass die regula fidei von Beginn des Evangeliums an (ab initio evangelii) existiert. Aus diesem Alter ergibt sich der Beweis des hohen Alters. Die regula fidei beinhaltet hier wieder das Bekenntnis zum Schöpfergott und zu Jesus Christus, wobei das Hauptaugenmerk auf Letzterem liegt.


De praescriptione haereticorum 13

Hier tritt erneut der streng normative Charakter der regula fidei hervor. Sie ist das Element, an dem sich alle Suche nach Wahrheit messen lassen muss. Tertullian will an dieser Stelle der Schriftauslegung der Häretiker Einhalt gebieten. Zu diesem Zweck führt er die regula fidei als Definition der grundlegenden Glaubensinhalte an, und führt dann aus, dass Aussagen nicht mehr zulässig seien, wenn sie die regula fidei verletzten, da diese von Christus selbst eingesetzt worden ist (a Christo ... instituta).


Literatur:

Countryman, L. WM, Tertullian and the Regula Fidei, in: The Second Century, Journal of Early Christian Studies, Vol. 2 (1981), pp. 208-227.

Ohme, Heinz, Kanon ekklesiastikos. Die Bedeutung des altkirchlichen Kanonbegriffs, Berlin [u.a.] 1998, p. 83-121.